Fallbericht Nickhautdrüsenprolaps – Cherry Eye
Die 5 Monate alte Bulldoggen Dame Adele wurde wegen plötzlichem Auftreten einer roten Umfangsvermehrung im nasalen Augenwinkel vorgestellt. Wie im Spuk verschwand die UV immer wieder im Laufe des Tages, um dann plötzlich wieder an Ort und Stelle zu erscheinen.
Zweifelsohne handelte es sich in diesem, gar nicht so seltenen Fall, um ein sog. CHERRY EYE.
Kurz zur Erinnerung: Unsere vierbeinigen Freunde besitzen ein zusätzliches 3. Augenlid, welches durch einen T -förmigen Knorpel stabilisiert wird. Am Fuße dieser Struktur befindet sich eine akzessorische Tränendrüse, welche etwa 40% der gesamten Tränenproduktion übernimmt.
Bei manchen Hunden – und wenigen Katzenrassen – führen genetische Komponenten, wie Brachicephalie, Laxität des Bindegewebe oder eine zu flache Orbita, besonders in jungem Alter (6-9 Monate) zu einer Vergrößerung und einem Hervortreten der oben genannten Tränendrüse. Durch die aufgeführten Veränderungen kommt es bei den betroffenen Rassen, zu denen in erster Linie englische Bulldoggen, französische Bulldoggen, Boxer, Spaniel, Doggen, Perser und British Kurzhaar zählen, zu beschleunigter Evaporation des Tränenfilms und einer Austrocknung der Hornhaut. Dies führt wiederum dazu, dass die akzessorische Tränendrüse reaktiv mehr Tränenflüssigkeit produziert, wodurch sie hypertroph wird und aus ihrer ursprünglichen Position ins Gesichtsfeld tritt.
Differentialdiagnostisch in Betracht zu ziehen ist bei diesem Erscheinungsbild auch immer eine Eversion des Nickhautknorpels. Hervorziehen und Untersuchen der Nickhaut unter Lokalanästhesie ermöglich die Differenzierung dieser beiden Erkrankungen.
Unsere Fellnase Adele hat ihrem Besitzer großen Schrecken eingejagt. Die Lidbindehäute und die Nickhaut waren stark gerötet. Adele hatte starken Juckreiz und das Gassigehen war zur Qual geworden, da sie ständig mit der Pfote versuchte sich die, als Fremdkörper empfundene, Umfangsvermehrung aus dem Auge zu wischen.
Die ersten Folgen eines Nickhautdrüsenprolaps waren bereits bei der Erstuntersuchung festzustellen. Der durchgeführte Schirmer-Tränentest (STT) war im Vergleich zum nicht betroffenen Auge mit 10mm/min erniedrigt. Der Fluoreszein Test war leicht diffus positiv, was auf eine schlecht benetzte Hornhautoberfläche zurückzuführen war.
Um weitere Schäden durch Austrocknung und Hypotrophie der Tränendrüse zu vermeiden haben wir uns für die chirurgische Therapie entschieden. Mittels einer „Pocket Technik“ wurde die zuvor freipräparierte Drüse in ihre ursprüngliche Position zurückverlagert. Die Lidbindehäute wurden mit einem 5-0 resorbierbaren Vicryl verschlossen und Adele konnte noch am selben Tag mit einem Halskragen nach Hause entlassen werden.
Nach 2 Wochen war die Wunde vollständig abgeheilt und die Tränendrüse war in situ verblieben.
Leider zeigte sich bei der kleinen Bulldoggen-Dame bereits 3 Wochen später derselbe Spuk am anderen Auge. Das war nichts Außergewöhnliches. Bei dieser Erkrankung sind häufig innerhalb kurzer Zeit, oft sogar gleichzeitig, beide Augen betroffen.
Adele hat auch die zweite Operation gut überstanden und kann ihren Besitzer jetzt auch nach einem halben Jahr post OP mit Ihren großen Kulleraugen verzaubern.